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AutorenbildSabrina Berger

Ein Leben mit ADHS

Zwischen Überreizung, dem Versuch sich anzupassen und dem Ordnen des inneren Chaos


Die Abkürzung „ADHS“ steht für Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung. Häufig wird diese Form der psychischen Störung bereits bei Kindern diagnostiziert, aber auch Erwachsene können noch lange von den Symptomen betroffen sein. Weltweit sind circa 5% davon betroffen. Die Erkrankung macht sich in den meisten Fällen noch vor dem 6 Lebensjahr bemerkbar und ist höchstwahrscheinlich nach aktuellen Forschungsergebnissen angeboren (genetisch bedingte neurologische Störung). Der „Ausbruch“ bzw. die Symptome können durch ungünstige Umweltfaktoren ausgelöst werden. Hauptmerkmale sind hier Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität, Impulsivität, extreme Unruhe, zappeliges, chaotisch, unkontrolliertes Verhalten, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsdefizite und je nach Ausprägung auch Verträumtheit. Im medial-sensitiven Bereich empfinden Betroffene ihre Wahrnehmung als „Mehrspurig“ und wesentlich umfangreicher als üblich. Ihr medialer Radar nimmt unkontrolliert und kontinuierlich Botschaften auf und lässt diese durch das Energie- und Aura-Feld fließen. Dadurch fällt es den meisten schwer ihre eigenen Impulse von denen ihres Umfelds zu unterscheiden („Ist das eine Botschaft meines Körpers, meines Unterbewusstseins oder meiner Seele oder habe ich den Impuls „aufgeschnappt“ und übernommen?). Das Differenzieren lernen von Impulsen ist hier ganz wichtig, um sein authentisches Wesen definieren zu können. „Wer bin ich wirklich? Was macht mich aus? Wonach verlangten mein Geist und mein Herz? Was befriedigt und beruhigt mich tatsächlich?“, sind Fragen, auf die ein Betroffener durch die vielen Störimpulse nur schwer eine Antwort finden kann – es fehlt an der nötigen inneren Ruhe und Zentrierung, um sich seiner selbst sicher sein zu können. Dadurch bildet sich in vielen Fällen nur schwer eine stabile, selbstsichere Basis in Bezug auf Selbstbewusstsein, Selbstliebe und Selbstwert. Sofern sich der Betroffene bereits in einer stabilisierten Ausgangsposition befindet, können milde Formen von Achtsamkeitstraining, Zentrierung und Fokussierungsübungen dabei helfen, die Persönlichkeit zu stärken, um das persönliche Schicksal anzunehmen. Das Leben mit einer unheilbaren psychisch-neurologischen Erkrankung kann enorm zermürbend und demotivierend sein, wodurch viel Geduld, Mitgefühl, Respekt und vor allem Wissen im Umgang mit der Störung von Nöten ist.


Es gibt drei Untergruppen von ADHS: 1.) vorwiegend hyperaktiv-impulsiver Typ (ADHS, „Zappelphilipp“), 2.) vorwiegend aufmerksamkeitsgestörter Typ (ADS - Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom, „Hans-guck-in-die-Luft“), 3.) oder ein individueller Mischtyp. In extremen Fällen kann der Betroffene ein Distanz-Nähe-Problem entwickeln, was bedeutet, dass eine gesunde Balance zwischen Nähe (extrem mitfühlend, künstlich fokussiert, verschwimmendes Raum-Zeit-Gefühl) und Distanz (Rückzug, Selbstgespräche) im Umfeld nicht möglich sind. Demnach kann der Betroffene entweder gefühlskalt, fast arrogant oder übermäßig sensibel und empfindlich auf Außenstehende wirken. Die Unterschiede von ADHS und ADS sind hier sehr fein (ADHS: impulsiv, störend, überdreht, zappelig, schnell frustriert. ADS: langsam, ängstlich, hilfsbereit, schüchtern, verträumt, empfindlich. Gemeinsamkeiten: unkonzentriert, vergesslich, schlechte Feinmotorik, trödelig, zerstreut, vergesslich, unaufmerksam, emotional). ADS-Betroffene fallen lediglich weniger auf, wodurch die Störung seltener erkannt wird und schnell als „Charakter-Macken“ oder „Persönlichkeitsstörung“ abgetan wird.

ADHS ist übrigens nicht, wie oft fälschlicherweise angenommen, eine moderne „Zivilisationskrankheit“, geprägt durch falsche Erziehung, Ernährung oder exzessiven Medienkonsum, sondern entwickelt sich vielmehr durch hirnorganische Veränderungen, die im pränatalen Zeitraum entstehen (genetische und epigenetische Einflüsse). Forscher gehen davon aus, dass bis zu 70% unserer aktiven Genmarker verantwortlich für die Entstehung von ADHS im Gehirn sind – dadurch ist ADHS in den häufigsten Fällen eine erblich weitergegebene Erberkrankung. Im Gehirn drückt sich ADHS durch diverse Fehlfunktionen aus. Bestimmte Regionen, u.a. der Frontallappen (Aufmerksamkeit, Reizverarbeitung), bestimmte Basalganglien („graue Masse“- Großhirn- und Zwischenhirnkerne, extrapyramidalmotorischen System, Bewegungsabläufe, Impulse aus der Großhirnrinde und Peripherie) und das Kleinhirn (Cerebellum, flüssige Bewegungsabläufe, Gleichgewichtsgefühl, Kontrolle der gesamten Motorik durch Aufrechterhalten eines normalen Muskeltonus), befinden sich entweder im „Dornröschenschlaf“ oder in der Überreizung. Der Filter zur Verarbeitung und Schutz vor Reizüberflutung funktioniert nur unzureichend, wodurch Betroffene mit zu vielen gleichzeitigen Reizen konfrontiert sind, was zur Überforderung und Unkonzentriertheit führt.



Bei Säuglingen ist es sehr schwer eine Diagnose zu stellen. Forschungen aus Langzeitstudien lassen vermuten, dass eine erkennbare Regulationsstörung mit der Erkrankung in Zusammenhang stehen kann (u.a. Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme, Verdauung, Schlafprobleme, langes und häufiges Schreien). Dafür kann es allerdings auch andere Ursachen geben – nur etwa ein drittel der Babys erhalten später eine ADHS-Diagnose.

Auch bei Kleinkindern lässt sich schwer eine klare Diagnose stellen. Auch hier verhalten sich die Kinder auffällig unruhig, sind motorisch rastlos, schreien häufiger und länger, als andere Kinder, haben keine Lust zu spielen, finden dadurch schwieriger Anschluss und haben dabei Probleme sich mit anderen Kindern anzufreunden. Daraus kann sich ein extrem sprunghaftes Verhalten entwickeln. Nach kurzer Zeit werden Spiele abgebrochen und gewechselt, Freundschaften geschlossen und ohne ersichtlichen Grund spontanen gekündigt, Unfälle und Verletzungen häufen sich und sie produzieren ständig Geräusche (kein Gefühl für das eigene Agieren, Trotzreaktion), die das Umfeld auf Dauer belasten können.

Bei Kindern im Grundschulalter kann sich die Störung wie folgt ausdrücken: geringe Frustrationstoleranz, Wutanfälle, wenn die Dinge nicht nach dem eigenen Willen laufen, unpassende Mimik und Gestik (häufiges Grimassen schneiden), übermäßig vieles Sprechen, anderen ins Wort fallen, Ungeschicklichkeit und häufige Verletzungen beim Spielen, geringes Selbstbewusstsein, Regeln werden nur schwer akzeptiert und eingehalten (Revoluzzer, Nervensäge, Spielverderber), sehr langsames und unsystematisches Aufgabenlösen, schnelle Ablenk- und Verführbarkeit, häufig auch Lese-Rechtschreib- oder Rechenschwäche, schlecht leserliche Schrift und chaotisches Ordnungsverhalten. Dadurch können ADHS-Schuldkinder schnell zu Außenseitern werden und fallen aus dem Rahmen.

Jugendliche können zusätzlich eine „Null-Bock-Mentalität“ aus Frust durch die vielen kognitiven Anstrengungen und Versagensängste entwickeln. Sie flüchten sich in eine aggressive Anti-Haltung, verweigern erforderliche Leistungen, fühlen sich schnell depressiv, ängstlich und lustlos, entwickeln eine Resonanz zu Randgruppen, dabei können das Konsumieren von Alkohol und Drogen eine Rolle spielen, was in der der Pubertät natürlich generell vorkommen kann, sich aber mit ADHS zu einem Extrem ausprägt. Die Symptome der Unruhe und Impulsivität verbessern sich hingegen bei vielen Jugendlichen durch die persönliche Reife und wachsenden Fähigkeit der Reizkontrolle.

Hält ADHS bis ins Erwachsenenalter an, stehen Schusseligkeit, Vergesslichkeit oder Unorganisiertheit im Vordergrund. Auch impulsives Verhalten, Konzentrationsstörungen und unüberlegte Handlungen sind weiterhin vorhanden. Die Symptome werden leicht als Teil der Persönlichkeit wahrgenommen und in den wenigsten Fällen so spät noch diagnostiziert.


Bleibt die Störung gänzlich unerkannt, kann das schwere Folgen für das Sozialleben, aufgebaute Beziehungen und soziale Kontakte, die berufliche Laufbahn und die allgemeine Lebenszufriedenheit sowie einen gesunden Selbstwert, haben. Häufig entwickeln sich dazu psychische Erkrankungen wie Depression, Angststörung, extreme Selbstzweifel, Substanzmissbrauch und/oder Suchterkrankungen und Sozialphobien. ADHS kann aber auch Vorteile mit sich bringen! Durch das „andersdenken“ können Menschen mit ADHS geistig wesentlich flexibler, offener, beweglicher und kreativer sein, sie begeistern sich schnell für etwas und sind motiviert, was ihre Leistungsfähigkeit im jeweiligen Bereich steigern kann. Ist eine Tätigkeit erwählt, erhält diese die volle Aufmerksamkeit. Zudem verfügen sie über einen guten Zugang zur Gefühlswelt und gelten allgemein als sehr hilfsbereit, auch ihr Gerechtigkeitssinn ist stark ausgeprägt.



Trotz zahlreicher Therapiemethoden ist ADHS nicht heilbar! Die Symptome lassen sich jedoch durch gezielte, individuell angepasste Therapiebausteine lindern und stabilisieren, damit der Umgang im Alltag gelernt, kultiviert und integriert werden kann. Folgende Bausteine sind zu Beginn einer Therapie wichtig:

  • Aufklärung, Beratung und Begleitung der Eltern, Bezugspersonen, Betreuer, Begleiter, Partner, Erzieher und des Klassenlehrers des Kindes/Jugendlichen. Erwachsenen ist die eventuell nötige Aufklärung des Umfelds selbst überlassen (Arbeitgeber, Kollegen, Familie, etc.)

  • Es besteht die Möglichkeit zur „Mutter-Kind-Kur“ in einer Klinik, bestehend aus Spiel- und Lerntraining, um bei einer Sache zu bleiben und der Beziehungsarbeit

  • Selbstinstruktionstraining (der Betroffene gibt sich selbst die nächsten Schritte vor, um Struktur und Ordnung von Abläufen zu lernen, erst Denken dann Handeln, stärkere Selbstbeherrschung, Selbstdisziplin und Selbstkontrolle)

  • Zusammenarbeit mit der Schule und Lehrstelle (Verständnis, Mitgefühl, Achtsamkeit, Besonderheiten hervorheben)

  • Elterntraining und Miteinbeziehen der Familie, um die Reizung der Symptomatik im familiären Umfeld zu vermeiden (klare Strukturen vorgeben, unmissverständlich ausdrücken, authentisches Verhalten, Ablenkungen vermeiden, Rückmeldung geben, wie das Verhalten des Kindes gewirkt hat, erwünschtes Verhalten erkennbar machen – zur eigenen Meinung stehen, Emotionen und Bedenken liebevoll, aber in klaren „Ich-Botschaften“ zum Ausdruck bringen). Der Betroffene kann sich nicht immer mitteilen und agiert aus Impulsen heraus, die meist falsch gedeutet werden (vermeiden von Missverständnissen und Kränkungen)

  • Kognitive Verhaltenstherapie ab dem Schulalter, um Strukturierung und das eigene Verhalten besser zu reflektieren, einschätzen und kontrollieren zu lernen (beispielsweise mithilfe von Rollenspielen und das Installieren neuer Verhaltens- und Handlungsmuster). Dazu gehört auch Selbstmanagement und der bewusste Umgang mit den Symptomen, Neuromentaltraining, Sport und Koordinationstraining

  • Medikamente (u.a. Amphetamine wie Methylphenidat), um die Symptome zu vermindern und beim Aufbau von innerer Ruhe und Konzentrationsfähigkeit zu unterstützen

  • Beobachtung potenzieller Entwicklung von weiteren psychischen Störungen wie Entwicklungsstörung, Lernstörung, Störung des Sozialverhaltens, Tics, Neurosen, Zwangsgedanken, Angststörung, Depression, Aggressionsproblemen, etc.

  • Bei der Ernährung ist, wie bei allen Menschen, darauf zu achten, ob es Unverträglichkeiten gibt, die den Körper oder das Nervensystem zusätzlich reizen und belasten (zu viel Zucker, Fastfood, Coffein, Nikotin, … alles, was wertvolle Energie raubt und das innere Gleichgewicht stört)


Eine richtige Diagnose und passende Therapie/Behandlung ist für ADHS-Betroffene essenziell wichtig, um den Anforderungen des Alltags gewachsen zu sein bzw. sich darin etablieren zu können. Bleibt die Störung unerkannt, kann es für Kinder schwierig sein, die Schule abzuschließen oder für Jugendliche einen Beruf zu erlernen, der nicht ihren geistigen Fähigkeiten entspricht. Zudem fällt es schwer soziale- und romantische Beziehungen aufzubauen und aufrechtzuhalten, durch den Mangel an Verständnis und das häufige Entstehen von Missverständnissen, Schuldzuweisungen und Kränkungen. Das Risiko straffällig zu werden oder folgenschwere Unfälle zu bauen, ist zudem massiv erhöht. Ein erfülltes Leben und eine erfolgreiche Laufbahn sind auf jeden Fall mit ADHS/ADS möglich, selbst, wenn die Symptome lebenslang spürbar bleiben. Solltest du selbst betroffen sein – gib nicht auf! Dein Gehirn ist neuroplastisch flexibel und entwicklungs- und lernfähig! Kennst du jemanden der betroffen ist, bleib bitte so gut es geht in der Liebe und hab Geduld! Erkenne die Störung hinter den Aussagen, Handlungen und der emotionalen Geschichte zwischen euch! Der Betroffene bekommt zwar bewusst mit, was gerade passiert, kann sich aber nicht selbstständig regulieren und leidet vermutlich auch unter unnötigen Schuldgefühlen. Die Schübe kommen und gehen unterschiedlich intensiv und dazwischen werdet ihr genügend Zeit für eine Aussprache oder Versöhnung finden!


Affirmation: „Meine angeborenen Lebensaufgaben akzeptiere ich mit der gleichen Liebe, wie ich stolz auf meine Fähigkeiten, Kompetenzen und Ressourcen bin! Ich stelle mich der Aufgabe meine ADHS-Struktur auf das höchstmögliche Niveau zu kultivieren und schöpfe aus den Möglichkeiten, die mir diese Herausforderung bringt. Ich nehme meine Besonderheit an und entfalte mich in der für mich bestimmten einzigartigen Lebensspur!“



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