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Kontaktabbruch – wenn Schweigen lauter spricht als Worte

Aktualisiert: 2. Okt.

Ein Kontaktabbruch ist selten eine impulsive Entscheidung. Viel häufiger ist er das Ergebnis eines inneren, meist sehr langen Prozesses, der von emotionaler Belastung, Erpressung, Ohnmacht und dem Bedürfnis nach Selbstschutz geprägt ist. In der Psychologie wird ein Kontaktabbruch oft als Abwehr- oder Bewältigungsmechanismus verstanden, obwohl es dabei nicht nur um die Vermeidung einer anderen Person, sondern um den Versuch, sich selbst vor weiterem emotionalem Schaden zu bewahren, geht. Nach dem Motto: „Genug ist genug!“, kann man sich jederzeit, selbst, wenn man zuvor Jahre oder Jahrzehnte stabil und verlässlich bzw. sogar für das Gegenüber „zufrieden“ gewirkt hat, sich für einen Kontaktabbruch zum höchstmöglichen Wohlergehen aller entscheiden. Ich bin der Meinung, dass Wachstum in alle Richtungen blockiert ist, sobald sich toxische Beziehungsmuster festgefahren haben und ein sich „voneinander lösen“ eine Chance für alle Beteiligten ist, in ihre Kraft und somit in ihr Seelenwachstum zu kommen. Somit muss ein Kontaktabbruch nicht „für immer“ sein. Der gesunde Abstand kann Raum für seelische Heilung bieten und ein erneutes aufeinander zugehen möglich machen.

 

Menschen entscheiden sich für einen Kontaktabbruch, wenn sie sich wiederholt verletzt, übergangen, emotional erpresst, erniedrigt, missbraucht, gedemütigt und nicht gehört oder gesehen fühlen. Besonders in zwischenmenschlichen Beziehungen, in denen sich die Kommunikation festgefahren hat oder von Manipulation, Kritik oder emotionaler Kälte geprägt ist, kann der Rückzug eine letzte Form der Selbstfürsorge darstellen und das eigene „Überleben“ sichern. Das Motto lautet dann: „Lieber allein, als ständig enttäuscht!“, besonders, wenn der Preis für die Beziehung die eigene Gesundheit ist. An dieser Stelle kannst du dir selbst folgende Fragen stellen:

 

  • „Wie groß muss der Schmerz werden, bis ich an erster Stelle für mich einstehe?“

  • „Wie viel Schuld, Scham, Angst und Verantwortung wurden mir auferlegt und haben mit meinem persönlichen Wesen und Wirken nichts zu tun?“

  • „Was wurde mir suggeriert, dass geschehen würde, wenn ich mich löse?“

  • „Wovor habe ich entsprechend im Unterbewusstsein am meisten Angst (z.B. Alleinsein, ausgeschlossen werden, Verachtung, Mobbing und Schikanen, Gesichtsverlust, Verlust des Lebensstiles, etc.)?“

  • „Könnte ich bestimmte Beziehungen aufgrund unerfüllter Bedürfnisse idealisieren?“

  • „Welche Hoffnung und Sehnsüchte verbergen sich hinter meinem Engagement und ist der Ausgleich in meinen Beziehungen stimmig?“

  • „Ist mir bewusst, woher meine Gefühle und Gedanken rühren (Ursprung, Erfahrungen, Erlebnisse, Basis der Beziehung, Bilanz, etc.)?“

  • „Kann ich mir eingestehen, wenn ich am Ende meiner Kräfte angelangt bin?“

  • „Bin ich bereit eine gesunde Beziehung zu leben und gegeben Falls zu lernen, wie diese gelebt werden, wenn ich (noch) nicht weiß, wie das geht?“


Häufig spielen dabei auch unbewusste psychologische Muster eine Rolle. Wer in seiner Kindheit gelernt hat, dass Nähe gefährlich ist oder, dass emotionale Bedürfnisse nicht erfüllt werden, neigt als Erwachsener eher dazu, sich zurückzuziehen, statt Konflikte offen anzusprechen. Betroffene berichten häufig von einer jahrelangen, wenn nicht jahrzehntelangen Odise an Unterordnung, Gefälligkeit, Zurückhaltung und diversen Versuchen ihre toxischen Beziehungen positiv zu verändern. Besonders in Familienkonstellationen erlebe ich bei meinen Klienten immer wieder einen unglaublich langen Atem, was das Durchhaltevermögen im Aushalten von Beziehungsschmerzen betrifft. Auch Glaubenssätze, wie: „Deine Eltern musst du respektieren und versorgen!“, „Jeder hat eine zweite Chance verdient!“, „Du kannst nicht alle Personen aus deinem Leben streichen, am Ende stehst du noch ganz allein da!“, „So schlimm ist es nicht, beim nächsten Mal wird es besser werden!“, oder „Blut ist dicker als Wasser, Familie kann man sich nicht aussuchen!“, können mit dem emotionalen Balanceakt verbunden sein. Durch den aufgebauten Druck wissen Betroffene oft nicht, wo sie ansetzen sollen, um ihre Konflikte zu lösen, oder sind einfach durch den Dauerkampf zu müde geworden, um das erfolglose Spiel weiterzuspielen. Manche Beziehungen zerbrechen ganz einfach an Sturheit, Uneinsichtigkeit, einer gestörten Wahrnehmung und Realitätsverschiebung, Lieblosigkeit, mangelnder Kommunikation, Flexibilität und/oder Rechthaberei, aber nicht am mangelnden Engagement zur Lösungsfindung! Ist der „Schutzschalter“ erst einmal gefallen und die „Nerven-Schnur“ gerissen, blicken Betroffene auf eine lange Liste an Lösungsversuchen zurück und stehen am Ende ihrer Kräfte. An dieser Stelle beginnen gesunde Selbstschutzprogramme zu wirken und der Wunsch nach einem Kontaktabbruch beginnt sich zu entfalten.

 

“Deine Gefühle und Gedanken haben immer einen Ursprung!”

Sei dir bewusst, dass eine Kette an Ereignissen (Lebensgeschichte) deine Verbindung und die damit verbundene Bewertung geprägt haben. Deine Gefühle und Gedanken kommen nicht aus dem Nichts! Es gibt Gründe, die deine Haltung erklären können. Dazu gehören auch bewusste und unbewusste Dynamiken und Muster, denen du bisher ausgesetzt warst. Die Erkenntnis über das Geschehene und die tatsächliche Basis deiner Beziehung können dir dabei helfen, bewusste, gesunde Entscheidungen für den weiteren Verlauf deiner Beziehungen und für deine Persönlichkeitsentwicklung zu treffen. Hier kann sich noch einiges wandeln und vielleicht sogar lösen. Wie viel Energie und Geduld du noch aufbringen möchtest, wie lang die Timeline deiner Beziehung dementsprechend werden darf, liegt an dir. Versuche dich in diesem Prozess mehr auf Tatsachen, Daten und Fakten zu fokussieren, um eine „verwässerte“ emotionale Sichtweise zu vermeiden.

 

“Es ist in Ordnung, wenn dir die Last jetzt zu schwer geworden ist!”

Vielleicht kennst du Sätze wie: „Was hast du auf einmal? Was habe ich dir denn getan? Wieso bist du plötzlich so anders? Woher kommt dein Sinneswandel?“ Betroffene haben deine Entwicklung, Erkenntnisse, deine neuen Eindrücke und Entwicklungsschritte vermutlich nicht im Blick und fühlen sich überfordert mit deiner neuen Haltung oder können diese aus ihrem aktuellen Standpunkt aus nicht nachvollziehen. Dennoch ist es völlig legitim, wenn es dir jetzt „plötzlich“ reicht, du einen Schlussstrich ziehen möchtest und/oder die Beziehungsregeln änderst, um für dich und deine Gesundheit einzustehen. Toxische Beziehungen machen auf Dauer krank! Diese Tatsache sollte dir bewusst sein!

 

“Lass alte Versprechen los, die du während emotionaler Erpressung gegeben hast!”

Wann hast du das letzte Mal deine gegebenen Versprechen, deine angenommenen Verpflichtungen oder das damit verbundene Verhalten und Handeln hinterfragt? Was davon ist noch stimmig, zeitgemäß und in deinem Interesse und was kann aufgelöst werden? Veränderung ist eine natürliche Konstante, die es dir ermöglicht im Flow zu bleiben. Ob deine Entwicklung den Interessen des Nehmenden entspricht, spielt nur bedingt eine Rolle. Beobachte, ob du dich emotional unter Druck oder erpresst fühlst? Sollte das der Fall sein, trittst du und deine Lebensinteressen automatisch in den Hintergrund und du beginnst zu dienen – ist das dein Ziel? Fühlst du dich in der Rolle wohl und erhältst du einen angemessenen Ausgleich? Wenn nicht, liegt es an dir deine Rolle im System zu verändern, zu aktualisieren oder auch ganz neu zu erfinden, damit du authentisch und würdevoll leben kannst.

 

“In einer toxischen Beziehung bist du auf dich allein gestellt!”

Wie lange befindest du dich schon in der Warteposition? Welche Aussichten sind nach wie vor unerfüllt? Mit welchen inneren Impulsen bist du auf dich allein gestellt? Interessiert es dein Gegenüber aktiv, was dich beschäftigt und berührt? Folgen darauf Taten oder ist bereits ein großes Defizit in deinem Beziehungs-Bilanz-Konto entstanden? Defizite können so groß werden, dass ein Ausgleich schwer bis gar nicht mehr erreicht werden kann. Du bist auf dich allein gestellt und wirst es vermutlich auch bleiben! Zudem zeigen anhaltende Dynamiken und Muster auf, dass jemand daran festhält und seinen Nutzen daraus zieht. Fühlst du dich in deiner Beziehung ausgenutzt, missbraucht, frustriert, einsam, überfordert und unsicher? Dann sei dir bewusst, dass es sich hier um natürliche Reaktionen auf eine ungesunde Beziehung handelt, wobei mit dir dementsprechend alles in Ordnung ist und du mit den Impulsen aktiv arbeiten kannst. Verschaffe dir Raum, Ruhe und atme durch! Löse dich von den unnötigen Belastungen, damit du deine Energie wieder in erster Linie für dein Leben und die Erfüllung deiner Aufgaben nutzen kannst. Du warst vorher allein und belastet und nun bist du auf dich gestellt und frei! Das macht einen enormen Unterschied!

 

“Wenn auf Worte keine Taten folgen, besteht deine Beziehung nur aus blinder Hoffnung!”

Was wurde dir suggeriert, in Aussicht gestellt, versprochen, vorgeführt, worauf wartest du immer noch und wohin dachtest du, würde die Reise gehen? Jede Manifestation und Entwicklung haben eine irdische Timeline bis zur Erfüllung. Die einzelnen Stepps zu überprüfen, hilft dir bei der Realisierung und Bestandsaufnahme der Realität deiner Beziehung. Die Frage: „Was ist es und was ist es nicht?“, schafft Klarheit über die gegenwärtigen Tatsachen und hilft dir Kompromisse einzugehen und gemeinsame Ziele zu definieren. Die Frage: „Was könnte es sein?“, schafft zwar eine Perspektive, aber ohne Überprüfung bleibt es ein Luftschloss. Ein Leben in Hoffnung und Erwartung kann sich durchaus positiv anfühlen oder wie „besser als nichts“, dennoch liegt es in unserer Natur, dass wir bei Misserfolgen und unerfüllten Bedürfnissen frustrieren und depressive Gedanken entwickeln.

 

Für die zurückgelassene Person ist der Abbruch meist schwer nachzuvollziehen. Ohne Erklärung oder mangelnder Einsicht und mit einer verdrehten Wahrnehmung entsteht ein emotionales Vakuum, das Fragen aufwirft und Selbstzweifel oder Aggressionen nährt. Dieses Schweigen kann tiefer verletzen als ein klärendes Gespräch. Trotzdem ist es wichtig, sich bewusst zu machen: Ein Kontaktabbruch sagt oft mehr über den psychischen Zustand und das Erlebte aus, als über den Wert eines Menschen. Die aufgebauten Dynamiken und Muster der Beziehung haben an diesen Punkt geführt, diese Tatsachen lassen sich nicht abstreiten und Unlösbares führt meistens in Verzweiflung und letztendlich ein vorherbestimmtes Ende. Aus psychologischer Sicht kann ein solcher Bruch auch eine Chance sein. Er zwingt zur Reflexion: Welche Dynamiken haben die Beziehung geprägt? Welche Grenzen wurden überschritten – oder nicht klar genug gesetzt? Ein bewusster Umgang mit dem Verlust ermöglicht es, eigene Bedürfnisse und Muster besser zu verstehen.

 

Letztlich ist der Kontaktabbruch ein komplexes Phänomen – weder feige noch konsequent per se. Er kann ein Ausdruck von Reife sein, wenn er auf einer klaren Entscheidung basiert, aber auch ein Zeichen innerer Unreife, wenn er aus dem Bedürfnis heraus geschieht, sich vor unangenehmen Gefühlen zu drücken. Was bleibt, ist die Erkenntnis: Manchmal ist das Ende einer Beziehung – so schmerzhaft es auch sein mag – der erste Schritt zu einem gesünderen Selbst.

 

Affirmation: „Es ist mein natürliches Recht selbst zu definieren, was eine gesunde Beziehung darstellt, und was nicht, um nach meinen höheren Werten zu leben! Ich löse mich von ungesunden, toxischen Verbindungen, damit Raum und ein neuer Nährboden für gesunde Beziehungen entsteht. Meine neu ausgerichtete Basis darf bestehende Beziehungen zum Wachstum inspirieren und die Chance für einen allumfassenden Wandel bieten. Ich lasse mich vertrauensvoll überraschen, wie mich mein Umfeld ab jetzt wahrnimmt und auf mich reagiert, nachdem ich bewusst auf nährende, bereichernde, wertschätzende Liebe, mit einem fairen Ausgleichsbewusstsein, ausgerichtet bin.“

 

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